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- „Weichen für die Zukunft der Kirche stellen“
Zürich. Weichen stellen für die Zukunft wolle er. So wird Stammapostel Wilhelm Leber, internationaler Leiter der Neuapostolischen Kirche, in einem Interview in der neuapostolischen Kirchenzeitschrift „Unsere Familie“ (Ausgabe 23/06) zitiert. Weitere Aussagen zu den Themen Homosexualität, europäischer Jugendtag und Mission runden das Interview ab. In der Ausgabe 1/2007 erscheint ein zweiter Teil.
Wir geben an dieser Stelle Auszüge aus dem Interview wieder. Das vollständige Interview kann in der Mitgliederzeitung der Neuapostolischen Kirche „Unsere Familie“ 23/2006 nachgelesen werden. Sie erscheint zum 5. Dezember und ist über den Verlag Friedrich Bischoff in Frankfurt zu beziehen.
Eine vollständige Wiedergabe des Interviews ist aus Copyright-Gründen nicht statthaft.
Auszüge aus dem Interview mit Stammapostel Wilhelm Leber
Thema: Homosexualität
In der Zeitschrift „Unsere Familie“ Nr. 19 wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem Sie Fragen von südafrikanischen Jugendlichen beantworteten, unter anderen auch zum Thema „Homosexualität und Schwulenhochzeiten“. Ihre Aussage hat heftige Reaktionen im Kreis homosexueller und transsexueller Geschwister ausgelöst. Wogegen richtet sich deren Kritik?
Zunächst haben homosexuelle Glaubensgeschwister offenbar Anstoß genommen an meinen einleitenden Worten. Ich hatte Bezug genommen, dass die göttliche Ordnung Mann und Frau besagt. Dadurch ist der Eindruck entstanden, dass Homosexualität etwas Unnatürliches wäre, etwas, was nicht in die Schöpfungsgedanken Gottes passe, vielleicht sogar krankhaft sei. Ich muss zugeben, das ist missverständlich. Ich will klar stellen: Homosexualität ist nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis im Wesentlichen eine besondere Disposition, wie z.B. bei einem Menschen zu unterscheiden ist, ob er Rechts- oder Linkshänder ist; das sind auch unterschiedliche Dispositionen. Sicherlich hat Homosexualität eine andere Tragweite; grundsätzlich aber scheint mir das vergleichbar.
Oft kritisiert wird auch die Formulierung „praktizierte Homosexualität“. Gibt es Bestrebungen, diesen Terminus zu verändern?
Darüber wurde bereits nachgedacht; aber noch ist keine bessere Formulierung gefunden worden. Dieser Begriff soll nicht diskriminieren. Wenn wir sagen „die Kirche hält praktizierte Homosexualität nicht für gut“, dann ist das ein sehr allgemein gehaltener Satz, der nicht einheitlich verstanden wird. Ich möchte das so deuten: Wir machen niemandem Vorschriften, aber wir wollen auf Gefahren hinweisen. Wir sagen nicht, dass praktizierte Homosexualität Sünde ist, das wäre eine viel weitreichendere Aussage. Aus meiner Sicht ist es sehr wohl ein Unterschied, ob jemand in einer festen homosexuellen Beziehung lebt – in dem Sinn, dass diese in eine menschliche Beziehung nach ethischen Grundsätzen eingebettet ist – oder nicht. Viele Homosexuelle weisen darauf hin, dass Sexualität nur ein Bestandteil in einer Beziehung sei. Sie möchten wie Heterosexuelle auch Empfindungen wie Zuneigung und Liebe mit einem Menschen teilen. Nochmals: Es besteht sicher ein Unterschied, ob jemand in einer festen homosexuellen Beziehung lebt oder ob Sexualität promiskuitiv, im Sinne von reiner sexueller Befriedigung mit ständig wechselnden Partnern ausgeübt wird.
Die Kirche sagt in ihrer Stellungnahme zum Thema Sexualverhalten, dass Geschwister, die homosexuell sind, keine Lehr- bzw. Amtstätigkeit ausüben sollen. Wie stehen Sie zu diesem Aspekt?
Bei der Beantwortung dieser Frage dürfen wir die gesellschaftliche Entwicklung nicht außer Acht lassen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Homosexualität auf breiter Front abgelehnt wurde und in der Gesellschaft nicht akzeptiert, ja bestraft wurde. Heute sieht das anders aus. In unseren Gemeinden möchten wir die homosexuellen Geschwister schützen und wollen nicht, dass sich an ihnen Diskussionen entzünden. Daher haben wir als Kirche empfohlen, dass homosexuelle Geschwister keine Amts- bzw. Lehrtätigkeit ausüben sollen.
Wie steht die Kirche zu Hochzeiten von homosexuellen Paaren. Wäre ein Trausegen in der NAK denkbar??
Davon sind wir weit entfernt, auch wenn dieses Thema momentan vielfach in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Ich möchte auf die Heilige Schrift verweisen, die ja für uns Grundlage ist. Es gibt hier einige Hinweise, die zur Zurückhaltung Anlass geben. Zu nennen sind besonders die Aussagen des Apostels Paulus, die ich auch schon im Interview in Südafrika angesprochen habe. Sicherlich sind diese Aussagen vor dem gesellschaftlichen Hintergrund in der Antike zu sehen. Es ist Vorsicht geboten, wenn diese in die Gegenwart übertragen werden sollen. Dennoch mahnen uns solche Textstellen zur Zurückhaltung. Wir als Neuapostolische Kirche sollten nicht Vorreiter einer ganz anders ausgerichteten Entwicklung sein. Deshalb ist das derzeit kein Thema.
Hin und wieder taucht die Frage auf, ob Homosexuelle auch das Glaubensziel erreichen können. Was sagen Sie dazu?
Ich bin überzeugt, dass kein Homosexueller grundsätzlich von der Möglichkeit ausgeschlossen ist, das Glaubensziel erreichen zu können. Ich habe darauf hingewiesen, wenn jemand in einer festen Beziehung mit seiner homosexuellen Disposition verantwortungsbewusst und ernsthaft umgeht, dass das anders zu bewerten ist als flüchtige und laufend wechselnde Beziehungen –Gleiches gilt ja auch für Heterosexuelle. Ganz abgesehen davon sind wir alle auf die Gnade Gottes angewiesen. Wenn also jemand als Homosexueller ernsthaft seines Glaubens lebt, dann bin ich überzeugt, dass er genauso die Würdigkeit erlangen kann wie jeder andere auch. Diese Sorge möchte ich unseren homosexuellen Geschwistern an dieser Stelle ganz ausdrücklich nehmen.
Thema: Europäischer Jugendtag 2009
Soll der europäische Jugendtag nur ein Event sein, um die Freude der Jugend zu befriedigen, oder soll damit auch eine theologische Botschaft verknüpft werden?
Das eine schließt das andere nicht aus. Es ist sicher richtig, dass wir uns von diesem Ereignis einen Impuls versprechen. Es soll nicht nur ein Highlight für den Augenblick sein. Dass so etwas auch Folgen hat, kann man an den Erfahrungen anderer Kirchen sehen. Ich denke an den katholischen Welt-Jugendtag. Danach hieß es, dieses Ereignis habe sich positiv auf den Gottesdienstbesuch ausgewirkt. Man darf ein solches Großereignis nicht isoliert sehen, sondern muss damit Botschaften verknüpfen, die Auswirkungen haben und in die Länge wirken. Dies wird auch den Programmablauf prägen.
Der Jugendtag soll also Wegweisung für die Jugend sein, sie neu motivieren, einer Entkirchlichung entgegenwirken und vermitteln, dass die Jugend sich ernst genommen fühlt?
Die Jugend ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kirche, ein Träger der Zukunft. Wir wollen die Jugend gewinnen. Es gibt heute durch gesellschaftliche Entwicklungen manche Sorgen, manche Probleme. Mit dem europäischen Jugendtag wollen wir der Jugend signalisieren: Wir sind bereit, uns diesen Fragen zu stellen und wollen euch helfen.
Das Großereignis kostet auch etwas. Wie ist das vertretbar vor dem Hintergrund, dass auf der anderen Seite die Kirche auf die Kosten achtet?
Das ist ein Thema, das sehr genau von der Gruppe, die den Jugendtag plant, überdacht wird. Die Jugendtage in den Gebietskirchen kosten auch etwas. Wenn wir das zusammenführen, entsteht ein bestimmter Etat. Bis zum europäischen Jugendtag vergehen noch zwei Jahre. Diese Zeit soll die Jugend nutzen, um ihren finanziellen Beitrag zu diesem Jugendtag aufbringen zu können. Wir werden Anregungen geben, was man machen kann, um ein bisschen Geld zu sammeln. Ich glaube, wenn das rechtzeitig angekündigt wird und mit Konzepten verbunden ist, wird es von den Jugendlichen akzeptiert.
Thema: Gemeindezusammenlegungen
Ein anderer Aspekt wirkt sich auch auf das Image der Kirche aus. Wir hatten eine Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen. Dort hat Bezirksapostel Brinkmann inzwischen angekündigt, dass in den nächsten Jahren weitere Gemeinden zusammengelegt werden. In Berlin-Brandenburg ist ebenfalls eine Gebietsreform im Gange und Bezirksapostel Klingler hat durchblicken lassen, dass in seinem Arbeitsbereich Standorte aufgegeben werden. Insgesamt gesehen entsteht der Eindruck, die NAK schrumpft sich gesund.
Das sehe ich nicht so, sondern wir müssen auf die Verhältnisse der Zeit reagieren. Wir verzeichnen in Deutschland einen Rückgang der Bevölkerung. In unseren Gemeinden besteht darüber hinaus eine gewisse Überalterung. Es gibt Hochrechnungen für das Jahr 2020, die regional begrenzt sind, aber belegen: Wenn wir so weitermarschieren, müssen wir mit erheblichen Einbußen der Mitgliederzahlen rechnen. An solchen Prognosen kann man nicht vorübergehen. Zudem gibt es in den großen Städten Verschiebungen. Da sind manche Viertel übervölkert von ausländischen Mitbürgern und folglich von anderen Konfessionen, wo wir als christliche Gemeinschaft gar keine Möglichkeit haben. Insofern dünnen manche Gemeinden einfach aus. Andererseits wollen wir lebendige Gemeinden haben, mit Kindern, mit Jugend, mit einem hinreichenden Kreis von Amtsträgern – und die brauchen eine gewisse Mindestanzahl von aktiven Gemeindemitgliedern. Sonst kann man Lebendigkeit nicht auf Dauer erhalten. Deswegen bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Gemeinden zusammenzulegen und im Hinblick auf die Zukunft Weichen zu stellen. Das wird in manchen Bezirken strategisch gemacht, in anderen geschieht es mehr oder weniger still. Aber die Sachlage ist überall gleich. Ich glaube, es ist besser, wir haben eine kräftige als zwei dahinsiechende Gemeinden. Natürlich muss jeder Einzelfall genau betrachtet werden. Es spielen Entfernungen und die gesamte Infrastruktur eine Rolle, auch die Zukunft der Gemeinde oder die Altersstruktur. Aber diesem Trend können wir uns nicht entziehen.
Es werden auch traditionsreiche Kirchen aufgegeben wie Berlin-Charlottenburg oder Dortmund-Nord. Ist das nicht ein Imageverlust für die Kirche, denn sie war über Jahre und Jahrzehnte präsent und ist auf einmal nicht mehr da?
Gewiss, das tut weh, das gebe ich zu und verstehe ich auch. Aber wir müssen uns anschauen, wie sieht die entsprechende Gemeinde, ihr Umfeld in der Zukunft aus. Ich kenne Dortmund-Nord recht gut aus eigener Anschauung und weiß, dass die Kirche mitten in einem Stadtviertel liegt, in dem viele nichtchristlische Mitbürger leben. Da ist also keine Möglichkeit mehr, eine Gemeinde von Substanz an Ort und Stelle zu haben. Hinzu kommt: Die Geschwister erwarten heute vernünftige Räumlichkeiten. Es sollen Möglichkeiten vorhanden sein, das kirchliche Leben zu entfalten. Das alles kostet Geld. Und jedes Mal, wenn größere Investitionen anstehen, fragt man sich schon, wie sieht die Zukunft der Gemeinde aus? Können Investitionen noch verantwortet werden, wenn in den nächsten fünf Jahren drastische Einbußen zu erwarten sind und die Mitgliederzahl nicht aufrechtzuerhalten ist? Das muss mit den finanziellen Überlegungen in Einklang gebracht werden. Und dann bleibt keine andere Wahl, als die eine oder andere Kirche zu schließen, unabhängig davon, ob es eine Traditionsgemeinde ist oder nicht.
Thema: Mission
Kommen wir zu einem anderen Punkt, der ebenfalls mit der Finanzlage der Kirche zu tun hat. Wie lange, denken Sie, kann es sich die NAK noch leisten, von Europa und Nordamerika die Mission in Afrika aufrechtzuerhalten und zu finanzieren?
Das ist auch eine schwerwiegende Frage. Wir haben festgestellt, dass wenige Gebietskirchen große Gebiete zu finanzieren haben und somit ein finanzielles Ungleichgewicht entsteht. Seit längerer Zeit werden gewaltige Anstrengungen unternommen, um diese Verhältnisse zu ändern. Nun kenne ich die Situation in Afrika. Dort sind sehr schöne Entwicklungen im Gange. In einigen Gebieten steigen die Opfereinnahmen. Wenn diese Tendenz anhält, können etliche Bereiche in absehbarer Zeit sich finanziell selbst tragen.
Und die betreuende Gebietskirche kann die Kosten für die Missionsreisen reduzieren oder vielleicht sich sogar ganz zurückziehen?
Das ist ein Trend, der sich immer mehr durchsetzen wird. Wenn Gebiete sich selbst versorgen können, ziehen sich die Brüder aus Deutschland oder Nordamerika zurück. Das ist im großen Stil schon in Afrika der Fall. Heute reisen oftmals nur noch Brüder hin, um Seminare oder Schulungen durchzuführen. Alles andere liegt in den Händen einheimischer Amtsträger.
(Copyright: Verlag Friedrich Bischoff GmbH, Frankfurt)