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- Zum Jahr der Bibel: Schriften außerhalb der Bibel
Zürich. Die Geschichte der Bibel ist äußerst interessant. In mehreren Artikeln wollen wir im Bibeljahr 2003 Geschichten zur Geschichte veröffentlichen. Heute setzen wir die Reihe mit einem Artikel über außerbiblische Schriften fort.
Schriften außerhalb der Bibel
<R.K./L.S> Neben den Schriften des Alten Testaments entstanden solche, die man Apokryphen oder Pseudepigraphen nennt. Neben den Apokryphen - zu ihnen zählen das Buch Tobias, die Weisheit Salomos, das Buch Jesus Sirach -, die auch in unserer Kirche weite Verbreitung gefunden haben (vgl. Unsere Familie 16/2002, S. 33, 34), gibt es die Pseudepigraphen. Das sind Schriften, die nach einer bedeutenden Person aus dem Alten (z. B. Henoch, Esra) oder Neuen Testament (z. B. Petrus, Thomas) benannt wurden, um die Autorität der Schriften zu erhöhen. Ihre Verfasser sind jedoch unbekannt. Dieses Verfahren war in der Antike durchaus gebräuchlich und wurde nicht als Fälschung gesehen: Die allermeisten Briefe des griechischen Philosophen Platon beispielsweise stammen nicht von ihm, sondern von seinen Anhängern und Schülern.
Frühjüdische Schriften
Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr., als die griechische Kultur starken Einfluss auf das Judentum nahm, entstanden neben den heiligen Schriften der Juden auch eine Vielzahl von anderen religiösen Büchern.
Das Buch Henoch: Eine der bekanntesten Schriften außerhalb des Alten Testaments ist nach Henoch benannt, von dem berichtet wird, dass Gott ihn hinweggenommen habe (vgl. 1. Mose 5,24). Das Buch Henoch ist vermutlich im 1. Jahrhundert vor Christus in Palästina entstanden. Es stand in so hohem Ansehen, dass es sogar im Judasbrief (vgl. Verse 14.15) zitiert wird. Henoch soll demnach geweissagt haben: "Siehe, der Herr kommt mit seinen vielen tausend Heiligen, Gericht zu halten über alle und zu strafen alle Menschen für alle Werke ihres gottlosen Wandels, mit denen sie gottlos gewesen sind, und für all das Freche, das die gottlosen Sünder gegen ihn geredet haben." Das vermutlich aus dem Gedächtnis niedergeschriebene Zitat stammt aus dem Henochbuch, Kapitel 1 Vers 9. Das Buch ist in zwei Fassungen überliefert worden: als Äthiopisches Henochbuch und als Slawisches Henochbuch.
Das Buch Henoch gehört zur frühjüdischen Apokalyptik (der Apokalyptik ging es um die Enthüllung von geheimen Dingen, besonders von zukünftigen Ereignissen), zu der auch das Buch Daniel gezählt wird. Zentral ist in ihm die Erwartung des Messias sowie des Gerichts, das er über die heidnischen Völker bringen wird. Auch wird ausführlich über den Sturz der Engel berichtet sowie mancherlei kosmologische Betrachtungen und astronomische Beobachtungen mitgeteilt.
Das 4. Buch Esra: Eine Schrift, die in unserer Kirche besondere Bekanntheit erlangte, das 4. Buch Esra, gehört ebenfalls zur apokalyptischen und pseudepigraphischen Literatur. Die griechische Fassung dieses Buches ist von einem frommen Juden vermutlich im 1. Jahrhundert nach Christus geschrieben worden. Das Buch wurde in lateinischer, syrischer, arabischer, armenischer und georgischer Übersetzung überliefert. Das Buch beansprucht, Visionen wiederzugeben, die Esra um 557 vor Christus empfangen haben soll. Die Visionen zeigen das Ende der Geschichte, die Erscheinung des Messias und die Bestrafung der Gottlosen. Ein weiteres wichtiges Motiv ist die Erzählung von der Wiederherstellung der durch die Babylonische Gefangenschaft verlorenen Heiligen Schriften durch Esra. Das Buch endet mit der Entrückung Esras.
Eng verwandt mit dem 4. Buch Esra ist die Baruch-Apokalypse (sie hat inhaltlich nichts mit dem apokryphen Buch Baruch zu tun, auch ihre Verfasser sind nicht identisch), die vermutlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christus entstanden ist. Baruch ist im Alten Testament bekannt als Begleiter des Propheten Jeremia (vgl. Jeremia 36; 45). Der Verfasser der Baruch-Apokalypse kündigt die Zerstörung der Mauern Jerusalems an und verheißt zugleich, das künftige Jerusalem sei bei Gott schon bereitet worden. Das Buch enthält Offenbarungen, die über den Verlauf der Geschichte und zukünftigen Taten Gottes Auskunft geben.
Weitere bekannte alttestamentliche Pseudepigraphen und Apokalypsen sollen wenigstens genannt werden: Die Himmelfahrt des Mose, Das Leben Adams und Evas, das Testament Abrahams, das Testament der Zwölf Patriarchen und die Abraham-Apokalypse.
Frühchristliche Schriften
Auch in frühchristlicher Zeit entstand eine Vielzahl von Schriften. Doch wurden diese, obwohl sie zum Teil große Verbreitung genossen, nicht ins Neue Testament aufgenommen. Dies geschah, weil man ihre Verfasser nicht zu den Vertretern authentischer apostolischer Überlieferung, wie sie im Neuen Testament festgehalten ist, zählte oder weil in ihnen Lehren verbreitet wurden, die im Widerspruch zum Evangelium standen. So gibt es Evangelien, die behaupten, von den Aposteln Thomas und Petrus geschrieben worden zu sein.
Evangelien nach Thomas und Petrus: Das Thomas-Evangelium ist eine Sammlung von Jesusworten, Gesprächen mit Jesus und kurzen Szenen aus dem Leben Jesu. Die Schrift behauptet, von Thomas dem Zwilling, der uns in Johannes 21,2 begegnet, geschrieben worden zu sein. Es gibt keine fortlaufende Erzählung, auch fehlt die Leidensgeschichte. Wann dieses Evangelium entstanden ist, ist unter den Forschern strittig. Einige vermuten, es könnte um 70 nach Christus entstanden sein, andere datieren es ins 2. Jahrhundert. Der griechische Urtext des Thomas-Evangeliums ist nur in Fragmenten überliefert worden. Eine vollständige Fassung in koptischer Sprache, einem späten ägyptischen Dialekt, wurde 1945 entdeckt.
Eine weitere Schrift, die mit dem Apostel Thomas in Verbindung gebracht wird, ist das Kindheitsevangelium des Thomas. Es ist wohl Ende des 2. Jahrhunderts entstanden und enthält teils sehr phantasievolle und märchenhafte Geschichten über die Kindheit Jesu vor seinem 12. Lebensjahr. Im Unterschied zum Thomas-Evangelium war das Kindheitsevangelium sehr weit verbreitet. Selbst im Koran werden Geschichten aus der Kindheit Jesu erzählt, die dem Kindheitsevangelium des Thomas entstammen.
Vom Petrus-Evangelium, das nach Apostel Petrus genannt wurde, sind nur Fragmente erhalten, die 1886/87 im Grab eines koptischen Mönchs gefunden wurden. Der Text stammt vermutlich aus dem 2. Jahrhundert. Die überlieferten Stücke zeigen große Ähnlichkeit mit den Berichten aus den neutestamentlichen Evangelien. Im Gegensatz zum Thomas-Evangelium wird in ihm auch fortlaufend die Geschichte Jesu erzählt.
Briefe: Es entstanden in der urchristlichen Literatur nicht nur weitere Evangelien, denen die allgemeine Anerkennung versagt blieb, sondern auch Briefe, die zum Teil beanspruchten, von der Hand der urchristlichen Apostel zu stammen. So wurde beispielweise Apostel Paulus ein Brief an die Laodizener zugeschrieben, der sich aus Worten der neutestamentlichen Paulusbriefe zusammensetzt. Der Anlass für die Entstehung dieses Briefes findet sich in Kolosser 4,16. Dort wird auf ein Schreiben verwiesen, das der Apostel an die Gemeinde in Laodizea richtete. Man nimmt an, dass der Brief zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert entstanden ist. Darüber hinaus gibt es noch ein angebliches Schreiben von Paulus an die Korinther, das 3. Korintherbrief genannt wird. Es ist wohl um 200 nach Christus entstanden. In ihm geht es vor allem um die Betonung der leiblichen Auferstehung der Toten.
Neben solchen Briefen, deren unbekannte Verfasser sich hinter Aposteln verbergen, gibt es auch solche, deren Urheber keine apostolische Autorität für sich beanspruchen. Zu ihnen zählt der 1. Clemensbrief, der den Bischof Clemens von Rom zum Urheber hat. Der Brief entstand wohl Ende des 1. Jahrhunderts und genoss hohes Ansehen, sodass er in manchen christlichen Gemeinschaften dem Neuen Testament zugerechnet wurde.
Lehre der zwölf Apostel und Der Hirt des Hermas
Zum Abschluss sollen noch zwei Schriften vorgestellt werden, die sich von den bislang behandelten grundlegend unterscheiden. Sie benutzen keine bedeutenden Namen, um Autorität und Verbindlichkeit zu beanspruchen.
Die Didache oder Lehre der zwölf Apostel gibt Anweisungen zu einem christlichen Lebenswandel und zur rechten Spendung von Wassertaufe und Heiligem Abendmahl. Der Verfasser der Schrift, die am Anfang des 2. Jahrhunderts entstanden sein dürfte, ist unbekannt. Die griechische Urfassung dieses Buches wurde 1873 aufgefunden.
Eine interessante Schrift des Urchristentum ist "Der Hirt des Hermas". Diese Schrift, die vermutlich um 120 nach Christus verfasst wurde, ist die umfangreichste erhaltene Schrift des frühen Christentums. Ihr Verfasser Hermas war Mitglied der christlichen Gemeinde in Rom. In vielen urchristlichen Kreisen genoss dieses Buch, das wohl in Griechisch verfasst wurde, hohes Ansehen, ja, es wurde vielfach sogar dem neutestamentlichen Kanon zugerechnet.
Hermas schildert in seinem Buch Visionen, die von einem Engel gedeutet werden. Für uns neuapostolische Christen ist dieses Buch von besonderem Interesse, weil es einen wichtigen Aspekt des Entschlafenenwesens bezeugt. Der Engel erklärt Hermas: "Die Apostel und Lehrer, die den Namen des Gottessohnes verkündeten, waren entschlafen in der Kraft des Sohnes Gottes und im Glauben an ihn. Sie haben dann denen die Botschaft verkündet, die vorher entschlafen waren, und ihnen das Siegel der Verkündigung gegeben" (Hermas 9,16,5).
18 October 2003