Richtlinien für Geistliche

4.1 Allgemeine Hinweise zum Gottesdienst

Der Begriff „Liturgie“, der vom altgriechischen Wort leiturgeia („öffentlicher Dienst“) abgeleitet wurde, bezeichnet den festgelegten Ablauf des Gottesdienstes, die Worte, Handlungen und Gesten, die in ihm vorkommen. Gottesdienst ist einerseits Dienst Gottes am Menschen, dies wird u.a. durch die vom Heiligen Geist inspirierte Predigt, die Feier der Sakramente und den Segen deutlich; anderseits bedeutet Gottesdienst Dienst des Menschen vor Gott, der sich in Gesang, Gebet und Bekenntnis zeigt.

Der Gottesdienst hat seinen Ursprung in der geschichtlichen Selbstoffenbarung des dreieinigen Gottes. Er hat die Aufgabe, an diese Selbstoffenbarung Gottes zu erinnern, sie aber auch durch Wort und Sakrament unmittelbar erfahrbar zu machen. Von daher hat der Gottesdienst eine heilsvermittelnde Funktion. Die einzelnen gottesdienstlichen Elemente – Wortverkündigung, Sakramentsfeier und -spendung, Gebet und Segen – sind also nicht willkürlich, sondern notwendig. In welcher Weise diese Elemente konkret ausgestaltet werden und wie der Ablauf des Gottesdienstes im Einzelnen ist, das ist von der jeweiligen Zeit und ihren Gegebenheiten geprägt. Deshalb ändert sich im Laufe der Zeit die äussere Gestalt von Gottesdiensten. Ihr Ablauf wird vom Apostolat, das für die Kirchenordnung zuständig ist, verbindlich festgelegt.

Ein Gottesdienst ist grundsätzlich ein öffentliches Geschehen, denn er ist Bekenntnisakt der christlichen Gemeinde vor der Welt. Damit diese Öffentlichkeit zustande kommt, ist zumindest ein Gottesdienstbesucher notwendig. Neuapostolische Gottesdienste werden
immer von Geistlichen geleitet, die dazu vom Apostolat bevollmächtigt sind.

Der neuapostolische Gottesdienst zeichnet sich durch Schlichtheit und Konzentration auf Predigt und Sakrament aus. Doch bedeutet das nicht, dass das liturgische Geschehen insgesamt etwas Nebensächliches wäre. Vielmehr verlangt es grosse Konzentration, denn eine wesentliche Aufgabe der Geistlichen ist es, Gottes Gegenwart und Heiligkeit in den Gottesdiensten zugänglich zu machen und spürbar werden zu lassen.

Die Predigt

Das Wort Gottes aus dem Heiligen Geist spendet und erhält göttliches Leben. Es wird in der Predigt hörbar, die den Willen Gottes kundmachen will. Dies erfordert von den Geistlichen Heiligung und eine gewissenhafte Vorbereitung auf die Predigt.

Die Sakramente

Das göttliche Wort, von dem alles Reden von Gott ausgeht, ist Jesus Christus, das ewige, schöpferische Wort.[31] In Jesus Christus sind auch die Sakramente begründet: die Heilige Wassertaufe, die Heilige Versiegelung und das Heilige Abendmahl. Der Mensch erfährt in ihnen Gottes Heilshandeln. In den Sakramenten wird das göttliche Wort, das in Jesus Fleisch geworden ist, für den Gläubigen erfahrbar.

Die Gebete

Die Gebete sind Zwiesprache mit Gott und Antwort des Menschen auf die Hinwendung Gottes zu ihm. Durch sie zeigt der Mensch, dass er Gemeinschaft mit Gott haben und Richtungsweisung von ihm erhalten will.

Auch hat das gemeinsam gesprochene Vaterunser Bekenntnischarakter. So ist der Gottesdienst neben der Wortgemeinschaft und Sakramentsgemeinschaft auch Bekenntnisgemeinschaft.

Die geistlichen Gesänge

Geistliche Lieder, die im Gottesdienst gesungen (oder instrumental vorgetragen) werden, sind für die versammelte Gemeinde Ausdruck ihrer Gemeinschaft. Über den Liedtext verbindet sich die Gemeinde nicht nur untereinander, sondern auch mit Gott. Auch geben die geistlichen Gesänge dem Gottesdienst den feierlichen Rahmen, mit dem allen am Gottesdienst Teilnehmenden der Zugang zum Wirken Gottes erleichtert werden soll.

Der Schlusssegen

Der trinitarische Segen am Schluss des Gottesdienstes soll die Gläubigen in ihren Alltag begleiten. Sie können auf die Gnade Gottes vertrauen, dürfen sich in der Liebe Gottes geborgen fühlen und sich der Leitung durch den Heiligen Geist gewiss sein. Sie dürfen der bewahrenden Gegenwart Gottes in ihrem Leben versichert sein, um es im Sinne des Evangeliums zu führen.

Hinweise zur Gottesdienstgestaltung

Alle Geistlichen müssen ihren Dienst im Gottesdienst in dem Bewusstsein der Gegenwart Gottes verrichten. Dies beginnt mit dem Eintreten in die versammelte Gemeinde. Das Gottesdienstgeschehen soll insgesamt feierlich, in Ruhe und Würde, gestaltet werden.

Die Geistlichen, die an der Wortverkündigung beteiligt sind, müssen sich zudem bewusst sein, dass sie am Altar Gottes stehen und Gottes Wort verkündigen. Dazu müssen sie auf ihre Sprechweise, ihre Wortwahl und ihr Auftreten im Gottesdienst achten. am Altar soll nicht eintönig und undeutlich, sondern verständlich, mit lebendiger Stimme und nicht zu schnell gesprochen werden.

Der Blickkontakt zur Gemeinde während der Predigt schafft eine Atmosphäre der Offenheit und der Nähe. Eine angemessene Gestik und Mimik sollten die Worte begleiten und sie verständlicher machen.

Zu den gemeinsamen Gebeten erhebt sich die Gemeinde. Bei allen Gebeten schliessen Geistliche und Gemeinde die Augen. Während der anderen liturgischen Elemente (Trinitarischer Eingang, Freisprache, Segens- und Sakramentsspendung, etc.) können die Augen geöffnet sein.

Auf jedes „Amen“ der Dienenden antwortet die Gemeinde mit „Amen“.

Herrichten des Altars

Das Herrichten des Altars muss rechtzeitig vor Eintreffen der Gemeinde geschehen. Die Abendmahlsgeräte sollen nach dem Gottesdienst so lange auf dem Altar verbleiben, bis die Gemeinde den Gottesdienstraum verlassen hat.

Zusammenfassung

Der Gottesdienst – eine Begegnung von Gott und Mensch - ist eine vorweggenommene Erfahrung der zukünftigen Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, zu der die Wiedergeborenen aus Wasser und Geist berufen sind. Er ist Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Sein Ablauf gestaltet sich vom Eingangslied bis zum Schlusslied gemäss der verbindlich festgelegten Liturgie. Dadurch wird Beliebigkeit in der Durchführung der Gottesdienste vermieden und die Einheit der Kirche gestärkt und bewusst gemacht.

Die Erläuterungen zur Liturgie[32] sollen das Verständnis für das gottesdienstliche Geschehen vertiefen.